Papageien sind hochsoziale Vögel. In der Natur gehen sie – meist lebenslange – Partnerschaften ein und leben in Familiengruppen oder Schwärmen. Das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz (seit 1.1.2005 in Kraft) trägt diesem Umstand Rechnung, indem es die Einzelhaltung von Papageien verbietet. Die Praxis sieht jedoch anders aus: Immer noch werden unzählige Papageien einzeln gehalten.

Fragt man nach, ist man mit wiederkehrenden Befürchtungen und Vorurteilen im Hinblick auf eine artgerechte Verpaarung konfrontiert. Damit nicht erst eine Anzeige die Vergesellschaftung erzwingt, sondern die PapageienhalterInnen ihrem Gefiederten freiwillig eine Partnerschaft ermöglichen, wollen wir die häufigsten Fragen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben, in diesem Beitrag beantworten. Diese sind:

  • Wird mein Papagei noch einen Partner akzeptieren?
  • Woher bekomme ich einen Partnervogel?
  • Wie vergesellschaftet man Papageien?
  • Wie lange dauert die Vergesellschaftung?
  • Was mache ich, wenn die Vögel nicht harmonieren?
  • Wie funktioniert die Partnervermittlung der Arge Papageienschutz und welche Kosten kommen auf mich zu?
  • Welche Veränderungen bedeutet das für mich und meine Familie?

Wird mein Papagei noch einen Partner akzeptieren?

Die wohl wichtigste Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist, dass, im Gegensatz zur gängigen Meinung, das biologische Alter und die Dauer der Einzelhaltung für eine Vergesellschaftung praktisch nicht ausschlaggebend sind.

Die Praxis zeigt, dass vielmehr die Prägung und individuelle Sympathie sowie ferner der Gesundheitszustand der Tiere und das Verhalten der Pfleger für Erfolg oder Misserfolg eines Verpaarungsversuches verantwortlich sind. So ist ein per Hand aufgezogener, auf den Menschen (und daher fehl) geprägter zweijähriger Papagei meist schwieriger zu verpaaren, als ein 30jähriger „Robinson Crusoe“, der noch von seinen Vogeleltern sozialisiert wurde.

Woher bekomme ich einen Partnervogel?

Grundsätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten, zu einem Partnervogel zu gelangen. Der Kauf eines Vogels im Zoohandel oder beim Züchter wird aus mehreren Gründen von Seiten des Papageienschutzes nicht empfohlen: Die Tiere sind in der Regel teuer, die Herkunft und damit Legalität der Tiere oft ungewiss, ebenso der Gesundheitszustand und eine – eventuell pro- blematische – Vorgeschichte. Das Geschlecht des Vogels wird oft nur vermutet, eine Rückgabe bei Misslingen des Vergesellschaftungsversuchs ist meist nicht möglich. Die Gefahr, ein per Hand aufgezogenes, fehlgeprägtes Tier zu erwerben, ist relativ groß. Außerdem sind mehr Jungtiere als geschlechtsreife Vögel im Handel. Nicht zuletzt wird mit dieser Form der Anschaffung der Handel von Papageien gefördert, was nicht im Sinne des Tier- und Artenschutzes sein kann.

Empfehlenswerter ist daher die Anschaffung eines so genannten „second hand“ Papageis. Die Vermittlung solcher Tiere war die Geburtsstunde der Arge Papageienschutz. Es gibt immer Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen von ihrem Papagei trennen möchten oder müssen. Auf der anderen Seite stehen jene, die gerne ein Partnertier aufnehmen möchten. Seit 1995 betreibt die Arge Papageienschutz schwerpunktmäßig die Vermittlung solcher Tiere, die als „Partnervermittlung für Papageien“ bekannt wurde. Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Die zu vermittelnden Tiere sind untersucht und ihr Geschlecht ist bekannt.
  • Der Handel wird nicht gefördert.
  • Es können so viele Versuche wie nötig durchgeführt werden, nicht harmonierende Tiere werden ausgetauscht, bis es klappt.
  • Es können Tiere ähnlichen Alters zusammengeführt werden.
  • Die PapageienhalterInnen bekommen jede notwendige Information und Hilfe zur Vergesellschaftung und zur tiergerechten Haltung.
  • Die Kosten sind wesentlich geringer als beim Kauf.
  • Die Vorgeschichte und das individuelle Verhalten der Vögel sind zumeist bekannt, der Besitzer weiß, worauf er sich einlässt.

Wie vergesellschaftet man Papageien?

Zu den wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen der Zusammenführung von Papageien gehören:

  • nur artgleiche, gesunde, gegengeschlechtliche Vögel ähnlichen Alters zusammenbringen
  • neutralen Ort (zumindest neue Voliere) wählen und
  • möglichst wenig Einflussnahme der Pflegepersonen.

Das Geschlecht der Tiere soll also vorab mittels DNA-Analyse (Feder oder Blut) oder mittels Endoskopie bestimmt werden. Bei Schwarmvögeln wie Wellensittichen, Nymphensittichen, Agaporniden und Graupapageien ist die Geschlechtsbestimmung dann nicht unbedingt nötig, wenn die Tiere freie Partnerwahl in einer Gruppe haben. Hier besteht auch die Möglichkeit, dass sich gleichgeschlechtliche (meist männliche) Tiere finden.

Ein neutraler Ort zur Vergesellschaftung, wie z.B. in unseren Papageienheimen, eignet sich dafür am besten, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Es gibt kein Revier, keinen Heimvorteil, beide Vögel haben die gleiche Ausgangsposition.
  • Die Unterbringung ist ausreichend groß, die Tiere fühlen sich nicht beengt.
  • Die Pflegepersonen sind den Vögeln nicht bekannt, es entstehen kein Loyalitätskonflikt und keine Eifersucht unter den Tieren.
  • Die Pflegepersonen mischen sich nicht in das Leben der Papageien ein.
  • Das Verhalten der Vögel und in der Regel auch der Gesundheitszustand können von versierten Pflegern besser beurteilt werden.
  • Die Beurteilung, ob die Vögel harmonieren oder nicht, ist objektiv und nicht von persönlichen Vorlieben und Interpretationen geleitet.

Bei „privaten“ Vergesellschaftungversuchen treten oft folgende Probleme auf:

  • zu starke Einflussnahme (besonders bei zahmen Vögeln),
  • Fehlinterpretation des Vogelverhaltens,
  • Missdeutung des Erfolgs eines Versuches aufgrund persönlicher Sympathie oder Antipathie für ein Tier (ein zahmer, sprechender Vogel wird nicht mehr gerne hergegeben).

Findet die Vergesellschaftung dennoch bei den PapageienhalterInnen statt, so sollte zumindest eine neue Voliere vorhanden und die Besitzer gut über die Vorgangsweise informiert sein. Diese Informationen erhalten die Tierbesitzer von der Arge Papageienschutz im Zuge eines Hausbesuches, bei dem auch die anderen Aspekte der Haltung wie Ernährung, Unterbringung und Beschäftigung, besprochen werden.

Wie lange dauert die Vergesellschaftung?

Einmal abgesehen von der „Liebe auf den ersten Blick“, die es durchaus gibt (schätzungsweise 5% der Versuche), kann es zwischen ein paar Tagen und einigen Monaten dauern, bis feststeht, ob ein Paar harmoniert oder nicht. Im Durchschnitt erfolgt die Paarfindung innerhalb von 8-10 Wochen.

Eindeutige Zeichen für eine erfolgreiche Verpaarung sind:

  • ein- oder gegenseitiges Füttern und / oder Kraulen,
  • Schnäbeln,
  • eng nebeneinander Sitzen,
  • aus einer Schüssel Fressen,
  • gemeinsame Verteidigung eines (kleinen) Reviers,
  • Balz- und Kopulationsverhalten.

Nach dem ersten Beobachten solcher Verhaltensweisen sollte jedoch noch mindestens zwei bis drei Wochen zugewartet werden, da sich manche Paare auch wieder trennen (besonders gleichgeschlechtliche). „Trennungen“ gibt es auch nach mehreren Jahren, v.a. dann, wenn die Tiere bei der Zusammenführung noch nicht geschlechtsreif waren. Trennungen erwachsener Vögel sind uns nur aus Fällen bekannt, bei denen privat vergesellschaftet wurde. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob die Vögel jemals wirklich verpaart waren. Bei Schwarmvögeln konnten wir auch Dreierbeziehungen sowie lockere Partnerschaften feststellen, in denen Seitensprünge, oder besser „Seitenflüge“, eine Rolle spielen.

Was mache ich, wenn die Vögel nicht harmonieren?

Falls die Vögel nicht harmonieren, bleibt nur der neuerliche Versuch. Beim ersten Versuch lassen sich soziale Verhaltensweisen wie Dominanzverhalten feststellen. Darauf kann dann beim nächsten Versuch Rücksicht genommen werden.

Es macht keinen Sinn, zwei Vögel zusammen zu lassen, wenn sie nicht harmonieren, auch, wenn sich dies nicht durch aggressives Verhalten zeigt. Papageien, die nebeneinander her leben sind wie zwei Einzelvögel zu betrachten. Disharmonie kann nach einiger Zeit auch zu Stress und damit zu Federrupfen oder Aggression führen.

Die Möglichkeit, Vögel öfter auszutauschen, hat in der Regel nur eine Institution wie die Arge Papageienschutz; auf privater Basis ist dies kaum möglich.

Wie funktioniert die Partnervermittlung der Arge Papageienschutz und welche Kosten kommen auf mich zu?

Wenn Papageienhaltung tiergerecht betrieben wird, ist sie nicht gerade billig. Dies betrifft zunächst die Errichtung einer adäquaten Voliere. Die Kosten der Anschaffung der Tiere sind natürlich von der Quelle abhängig: Am teuersten werden Papageien in Zootierhandlungen gehandelt, an zweiter Stelle stehen meist die Züchter, an dritter die private Beschaffung über Inserate und an vierter die Aufnahme von Papageien über Tierschutzvereine wie die Arge Papageienschutz, auf die in der Folge näher eingegangen wird. Wer einen oder mehrere Großpapagei(en) über die Arge Papageienschutz aufnehmen möchte, muss mehrere Bedingungen erfüllen:

  1. Zunächst kontaktiert der/die BewerberIn den Verein telefonisch (bei der wöchentlichen Telefon beratung) oder per E-Mail. Ein ausführliches Gespräch informiert die BewerberIn über das Procedere inkl. entstehender Kosten.
  2. Der/Die BewerberIn erhält ein Infopaket per Post inkl. Fragebogen zur gegenwärtigen Situation der bereits gehaltenen Papageien.
  3. Als nächster Schritt wird (vorrangig in Wien und NÖ) ein Hausbesuch durchgeführt, bei dem der Platz besichtigt und über Volierenbau, Ernährung, Beschäftigung sowie die Vorgangsweise bei der Vergesellschaftung informiert wird. Im Zuge dessen kann auch abgeklärt werden, welche Chancen eine Vergesellschaftung in der gewohnten Umgebung hat.
    (Kosten in Wien: Euro 36,–, außerhalb Wiens mit Fahrtkostenbeteiligung)
  4. Die neue Voliere sollte, wenn nicht schon vorhanden, gebaut werden. Hierbei gibt es ebenfalls Hilfestellung durch den Verein. Wenn der/die TierhalterIn diese Voliere nicht vorab errichten kann, wird die Zusammenführung außer Haus durchgeführt oder, in Ausnahmefällen, ein zweiter Käfig für den Vergesellschaftungsversuch zur Verfügung gestellt. In jedem Fall aber unterschreibt der/die InteressentIn eine Erklärung, in der er/sie sich verpflichtet, den Partnervogel während der Zeit der Vergesellschaftung tiergerecht zu halten, bei Bedarf tierärztlich behandeln zu lassen und bei Misserfolg dem Verein wieder auszuhändigen. Außerdem verpflichtet er/sie sich, eine gesetzeskonforme Voliere unmittelbar nach geglückter Zusammenführung zu errichten. Da Tiere nur an Mitglieder vermittelt werden, ist die Mitgliedschaft für ein Jahr (Kosten: Euro 27,–) zu begleichen.
  5. Bei erfolgreicher Vergesellschaftung wird ein Schutzvertrag unterzeichnet, der dem/der neuen PapageienhalterIn alle Rechte und Pflichten eines Eigentümers einräumt, mit Ausnahme der Weitergabe des Vogels. Die neue BesitzerIn wird somit nicht EigentümerIn, sondern „EinstellerIn“, die Kosten sind nicht als Kaufbetrag sondern als Pflegekostenbeitrag und Tierarztkostenersatz zu betrachten (Kosten: einmalig, Anzahl der Versuche unerheblich, Euro 250,– für einen Großpapagei, Euro 400,– für ein Paar).

Die Beschreibung dieser Vorgangsweise mag kompliziert und langwierig wirken, sie hat sich jedoch schon allein aufgrund der Tatsache, dass Papageienhaltung meist eine Lebensentscheidung ist, sehr gut bewährt. Wem dieses Procedere zu umständlich ist, dem ist meist auch die Papageienhaltung zu aufwändig. Der länger dauernde Prozess gibt den PapageienhalterInnen zudem die Möglichkeit, sich auf die Veränderungen durch die Haltung von zwei oder mehr Papageien einzustellen.

Für kleine Papageien wie Agaporniden und kleine Sittiche ist dieses Procedere aus Kapazitätsgründen verkürzt. Die BewerberIn muss die Käfigmaße angeben und eventuell ein Foto senden. Die Tiere werden dann gegen eine freiwillige Spende vermittelt.

Welche Veränderungen bedeutet das für mich und meine Familie?

Die Veränderungen, die durch die Haltung von zwei anstatt einem Papagei entstehen, sind mitunter erheblich und vor allem von der gehaltenen Art abhängig.

Der wichtigste und zugleich schwierigste Schritt für die PapageienhalterInnen ist es, die Papageien als eigenständige Lebewesen mit einer Reihe von arteigenen Bedürfnissen zu akzeptieren, die jenen der Menschen nicht entsprechen müssen. Dies beginnt schon bei der Erkenntnis, dass diese Tiere viel Platz benötigen, der nicht aus Wohnzimmermöbeln sondern Kletterbäumen, Seilen, Schachteln und Schaukeln besteht. Der ehemalige „Schmusevogel“ schnäbelt von nun an vorwiegend mit seinem Vogelpartner. Aus dem „Unterhalter“ wird nun ein Tier, das unterhalten werden will – denn auch verpaarte Papageien brauchen Beschäftigung, so genanntes environmental enrichment, das nicht selten die BesitzerIn zum „Clown“ macht. Während das Zusammenleben mit einem Paar oder auch mehreren Graupapageien meist problemlos verläuft (kaum Aggression, erträgliche Lautstärke), sieht dies z.B. bei Amazonen und Kakadus ganz anders aus. Amazonen sind sehr territorial und gehen eine enge Paarbindung ein. Das Männchen empfindet die Annäherung des Menschen an „sein“ Weibchen als Bedrohung und greift oft an. Eine „freie“ Haltung in der Wohnung wird damit unmöglich, manchmal sogar das gefahrlose Betreten der Voliere. Hier wird den HalterInnen eine Menge an Selbstlosigkeit und Toleranz abverlangt, die nur wenige aufbringen können. Dazu kommt die enorme Lärmentwicklung, die nicht selten zu Problemen in der Nachbarschaft oder sogar in der eigenen Familie führt.

Ähnlich ist die Situation bei Kakadus, die meist noch stimmgewaltiger als Amazonen sind und zusätzlich aggressiv gegeneinander vorgehen können. Nicht selten kommt es vor, dass das Männchen sein Weibchen oder ein zweites Männchen schwer verletzt oder tötet, sodass man bei Kakadus an die Grenzen des Machbaren in der Heimtierhaltung stößt.

Die Haltung von Aras ist (zum Glück) weit weniger häufig, da, aufgrund des Platzbedarfs, in Neubauwohnungen mit einer Zimmerhöhe von ca. 2,5 Meter schon gar nicht mehr erlaubt. Abgesehen von der Lautstärke und des erwähnten Platzbedarfs ist jedoch der Umgang mit Aras meist einfacher als mit Amazonen und Kakadus. Lediglich die Vergesellschaftung ist mitunter etwas problematisch und sollte nur von Arakennern durchgeführt werden. Generell ist das Leben mit Papageien arbeitsintensiv (Heranschaffen von frischen Ästen, Spielzeug, Ernährung, Reinigung), laut und nicht billig (spezielle Ernährung, Tierarzt, Unterbringung). Erfahrungsgemäß kommen mit diesen Umständen nur jene Menschen gut zurecht, die sich eine tiergartenbiologischen Sichtweise aneignen. Die Arge Papageienschutz versucht daher, nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten, mit den „Einstellern“ in Kontakt zu bleiben und durch regelmäßige Veranstaltungen wie Vorträge, Exkursionen und Besuchstage in den Heimen diesen tiergartenbiologischen Zugang zu forcieren.

Abschließend muss jedoch betont werden, dass uns in all den Jahren niemand begegnet ist, der den Schritt zur Vergesellschaftung seines Papageien bereut hätte. Jeder, der einmal gesehen hat, wie sein Papagei einen anderen gekrault hat oder von diesem gefüttert wurde und auf Tuchfühlung mit ihm die Nacht verbracht hat, versteht, warum der Mensch den Vogelpartner nie ersetzen kann, wenn er sich auch noch so bemüht.

Neues aus der Wissenschaft:
 Als Biologiestudentin hat Marit Woppel ein interessantes Diplomarbeitsthema gewählt. Sechs Monate lang studierte sie das Verhalten der Graupapageien-Gruppe an der Universität
 Wien.

Das erfolgreiche Projekt wurde von der Arge Papageienschutz vor vier Jahren ins Leben gerufen und bis heute organisiert und finanziert. Bereits vier abgeschlossene Diplomarbeiten und mehrere Kurzstudien liegen vor. Im Juli konnte Frau Mag. Woppel ihre Arbeit beim Ethologenkongress in Grünau im Almtal im Rahmen eines wissenschaftlichen Posters der Öffentlichkeit vorstellen. Hier fasst sie ihre Ergebnisse
zusammen:


„In meiner Diplomarbeit untersuchte ich die Dominanzbeziehungen einer Gruppe von sieben weiblichen und sechs männlichen Graupapageien unter Volierenbedingungen. Ich beobachtete das Verhalten der Tiere in unterschiedlichen Situationen und kam zu dem Schluss, dass eine nicht-lineare Dominanzhierarchie vorliegt. Es gab also weder einen absoluten Chef noch ein von allen unterdrücktes Tier. Jeder Vogel konnte in Konflikten einige seiner Artgenossen besiegen und war aber auch einigen anderen unterlegen. Generell konnte ich allerdings feststellen, dass Männchen in Auseinandersetzungen eher Gewinner waren und mehr Tiere dominieren konnten als Weibchen. Weiters schienen sich auch die jüngeren Individuen besser
durchzusetzen als die älteren Vögel.

Freundlichkeit bringt Vorteile


Ein vermehrter Austausch von Freundlichkeiten mit anderen Gruppenmitgliedern wirkte sich ebenfalls positiv auf den Rang in der Hierarchie aus. In den täglichen Futtersituationen beeinflusste vor allem das Geschlecht den Zugang zur Nahrung. Männchen waren meist vor Weibchen beim Futter und konnten auch länger fressen. Anders in einem Experiment, in dem die Tiere einen nur ihnen zur Verfügung gestellten Leckerbissen (eine Ölfrucht) gegen die übrigen Gruppenmitglieder verteidigen mussten. Hier waren vor allem soziale Bindungen bedeutend für den Erfolg.

Eine friedliche Gruppe

Mehrmals pro Woche sammelte ich von jedem Individuum Kotproben und bestimmte daraus die Hormone Corticosteron und Testosteron. Corticosteron wird vermehrt in Stresssituationen ausgeschüttet, Testosteron ist ein Sexualhormon und lässt Rückschlüsse auf die Aktivität der Gonaden zu. Weibliche Papageien mit niedrigem sozialen Status zeigten eine erhöhte Stressbelastung, bei männlichen Tieren mit hohem sozialen Status stellte ich eine erhöhte Testosteronsekretion fest. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass Stressausmaß und Aggressionslevel in der beobachteten Graupapageiengruppe sehr niedrig waren und die Tiere in Harmonie und Frieden lebten.

Der Abschied fiel schwer

Der Abschied von meinen grauen Lieblingen im Juni dieses Jahres ist mir sehr schwer gefallen. Auch Jakobine dürfte bei der allerletzten Fütterung gespürt haben, dass wir uns für lange Zeit nicht mehr sehen werden. Nachdem sie mir wie immer bei der Futterzubereitung Gesellschaft geleistet hatte, wollte sie nicht zurück in die Voliere. Erst nach einer halben Stunde Streicheleinheiten ließ sie sich zu ihren Mitbewohnern zurückbringen.“

Wir von der Arge Papageienschutz gratulieren Frau Mag. Woppel zur Erlangung des akademischen Grades „Magistra der Naturwissenschaften“ und danken für die liebevolle Betreuung unserer grauen Schützlinge.

Aggressives Verhalten bei Papageien, die in menschlicher Obhut gehalten werden, kann oft zum Problem werden, zumal gerade große Arten wie Amazonen, Kakadus oder Aras über eine erhebliche Schnabelkraft verfügen und äußerst wehrhaft sind.

In der Natur handelt es sich bei aggressiven Verhaltensmustern fast immer um normale, durchaus sinnvolle Strategien. In Gefangenschaft ist aggressives Verhalten oft die Folge falscher Haltungs- und Zuchtbedingungen oder die direkte Antwort auf menschliches Fehlverhalten.

Von Papageienhaltern wird Aggression oft unüberlegt als psychopatisch oder krankhaft bewertet. Dabei bestehen in der Verhaltensforschung durchaus Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen einer psychischen Störung und dem Normalverhalten. Die folgenden Ausführungen basieren zu einem großen Teil auf Werner Lantermann (Verhaltensstörungen bei Papageien, 1998) und auf Erfahrungen der Arge Papageienschutz.
Lantermann beschreibt vier Formen aggressiven Verhaltens, auf die in diesem Beitrag näher eingegangen werden soll:

1. Artspezifisches Aggressionsverhalten

Diese Form der Aggression umfasst wichtige Verhaltensabläufe im normalen Verhaltensrepertoire, wie etwa die Verteidigung von Revier, Nistplatz, Futter oder des Partners, wobei es oft nur zu einem Droh- und Imponiergehabe kommt. Bei in Gefangenschaft gehaltenen Papageienpaaren kann dies dazu führen, dass mit dem Einsetzen der Brutzeit vor allem die Männchen gegenüber anderen Männchen, aber auch gegenüber dem Pfleger aggressiv werden.

Kakadu-Männchen töten ihre Weibchen

Manchmal richtet sich die Aggression auch gegen Weibchen, die dann durch Demutsgesten zu beschwichtigen versuchen. Bei Kakadumännchen scheinen diese Demutsgesten oft nicht zu wirken. Besonders bei Gelbhauben- und Molukkenkakadus kommt es oft vor, dass sie ihre Weibchen in diesen aggressiven Phasen töten. Oft ist die Brutstimmung (wahrscheinlich bedingt durch die unnatürliche Lebensweise) der Kakadupartner nicht synchron, das Männchen kommt meist schon früher in Brutstimmung und hetzt dann sein Weibchen – mitunter zu Tode. Hier ist größte Vorsicht geboten. Sobald vom Halter aggressive Tendenzen bei Kakadus festgestellt werden, müssen die Tiere – zumindest kurzfristig – getrennt werden, da das Weibchen ernsthaft in Gefahr ist. Dies gilt genauso für Pärchen, die seit mehreren Jahren harmonisch zusammenleben oder sogar schon gebrütet haben. Schon ein gezielter Schnabelhieb genügt, um den Partner zu töten oder so schwer zu verletzen, dass er nur mehr von seinen Leiden erlöst werden kann (z.B. ausgerissene Schnäbel, ausgehackte Augen).

Schutzkleidung erforderlich

Amazonen (und hier v.a. die Männchen) attackieren ihre Pfleger besonders häufig, sodass die Voliere nur mehr mit Schutzkleidung betreten werden kann. Trotzdem haben wir es hier mit völlig normalem Verhalten zu tun, da es ja zur Verteidigung des Reviers und der Brut dient. Die Weibchen sind in der Regel viel weniger aggressiv, zumeist nur bei der eigentlichen Jungenaufzucht.

Festlegung der Rangordnung

Artspezifisches Aggressionsverhalten spielt auch bei der Festlegung einer Rangordnung eine bedeutende Rolle – und dies geschieht natürlich auch bei der Vergesellschaftung von zwei oder mehreren Vögeln. Meistens sind Rangordnungskämpfe ritualisiert, es wird gedroht, es kommt zu Scheinangriffen, Demutsgesten und zur Flucht des unterlegenen Tieres. Körperliche Schäden sind eher die Ausnahme und auf beengte Haltungsbedingungen zurückzuführen. Viele Vergesellschaftungen sind schon daran gescheitert, dass sich der Mensch in die Phase der Rangordnungsfestlegung eingemischt hat.

2. Dominanzaggression gegenüber Artgenossen

Ist die Rangordnung einmal festgelegt, kommt es zu einem ganz normalen Dominanzverhalten innerhalb der Gemeinschaft. In Gefangenschaft, bei begrenzten Ausweichmöglichkeiten oder zu wenig Futterplätzen, kann dies durchaus zu massiven sozialen Stresssituationen oder Verletzungen führen, wenn das rangniedrigere Tier zum Beispiel ständig von der Futterstelle verdrängt, in den Ruhephasen gestört oder bis zur Erschöpfung durch die Voliere gejagt wird. In solchen Fällen müssen entweder die Haltungsbedingungen geändert (auch Langeweile kann zu übersteigertem Dominanzverhalten führen!) oder die betreffenden Vögel getrennt werden.

3. Aggression gegenüber Jungvögeln

Dieses Verhalten zeigen vor allem Männchen, indem sie die selbständig gewordenen Jungtiere aus ihrem eigenen (Brut)revier vertreiben. So werden Nahrungsressourcen gesichert und die Jungen über einen geeigneten Lebensraum verteilt, um die Fortpflanzungsgemeinschaft zu erhalten. In Gefangenschaft, bei fehlenden Ausweichmöglichkeiten für die Jungen, muss der Mensch die Trennung zwischen Alt- und Jungvögeln übernehmen, sonst kann es bis hin zu tödlichen Verletzungen der Jungen kommen. Die Gefahr ist dann besonders groß, wenn der Nistkasten nach Flügge werden der Jungen nicht entfernt wird und die Elterntiere sofort wieder in Brutstimmung kommen.

4. Dominanzaggression gegenüber dem Pfleger

Gerade bei einzeln gehaltenen Papageien kommt es natürlich auch zur Ausbildung einer Rangordnung zwischen dem Vogel, seiner Bezugsperson und anderen Familienmitgliedern.
Zu Problemen führt dies oft erst mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife des Vogels: Der Pfleger wird als Partner betrachtet und alle anderen Personen werden so zwangsläufig zu Rivalen, die im harmlosesten Fall nur misstrauisch beobachtet oder bedroht werden. Es kann aber so weit kommen, dass jede andere Person sofort attackiert und auch gebissen wird.

Wenn Amazonen attackieren


Besonders „besitzergreifend“ sind Amazonen, aber auch Mohrenkopfpapageien, wobei handaufgezogene Vögel aufgrund ihrer fehlenden angeborenen Scheu vor dem Menschen extrem aggressiv werden können. Zudem birgt eine „Ehe“ zwischen Mensch und Vogel für den Vogel ständige Frustration, da es nie zu einer Paarung kommen kann, so sehr sich der Papagei auch bemüht. Welcher Besitzer eines zahmen, einzeln gehaltenen Papageien kennt das unermüdliche Werben um seine Person nicht? Der aufgestaute Frust des Vogels kann jedoch in Aggression umschlagen, die dann gegen den menschlichen Partner gerichtet wird. Dies kann plötzlich und ohne Vorwarnung geschehen und wird vom Papageienbesitzer in der Regel aus Unwissenheit überhaupt nicht verstanden.

Auch Tiere brauchen Distanz


Beim Aggressionsverhalten gegenüber Menschen darf auch der Begriff der „Individualdistanz“ nicht unerwähnt bleiben. Jedes Tier beansprucht einen gewissen Raum für sich, in dem es ungestört fressen, schlafen oder einfach nur in Ruhe gelassen werden möchte. Wird diese Distanz ständig unterschritten, und sei es nur, um etwa dauernd andere Leckerbissen zu reichen, kann es nach anfänglichem Drohen (rasche Pupillenveränderungen, Federspreizen, „knurren“) auch zum Beißangriff kommen. Im Normalfall zieht sich der Mensch dann natürlich, zumindest für kurze Zeit zurück, um später einen neuerlichen Annäherungsversuch zu starten. Wiederholt sich dieses Spiel oft genug, lernt der Vogel (biol: Lernen durch Erfolg), dass er Menschen durch aggressives Verhalten auf Distanz halten kann.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass der Ursprung von Aggressivität fast immer in natürlichen Verhaltensweisen zu finden ist und von uns Menschen in der Regel fehlgedeutet wird. Diese für uns unangenehme und „verrückt“ wirkenden Verhaltensweisen zeigen uns auch, dass wir es bei Papageien immer noch mit Wildvögeln und nicht mit domestizierten Haustieren zu tun haben.